Eine Zusammenfassung des Vortrags, Geschrieben von Topoi Journalist in Residence Antje Lang-Lendorff

Mit Elke Kaiser machten die Zuhörerinnen und Zuhörer der Ringvorlesung “Migration. Wanderungsbewegungen vom Altertum bis in die Gegenwart” am Mittwochabend einen großen Sprung zurück: Die Professorin für Archäologie an der Freien Universität befasste sich mit möglichen Wanderungsbewegungen von Menschen in der Jungsteinzeit. Hat es schon 3000 Jahre vor Christus eine Migration aus der Steppe nordöstlich des Schwarzen Meeres nach Mitteleuropa gegeben? Stammen die Mitteleuropäer also letztlich auch von Menschen aus dem eurasischen Raum ab? Darüber gehen die Meinung in der Forschung auseinander, wie Kaiser anschaulich darstellte.

Antje Lang-Lendorff ist Journalist in Residence beim Exzellenzclusters Topoi. Zusammen mit Nina Diezemann schreibt sie für den Blog “Migration. Wanderungsbewegungen vom Altertum bis in die Gegenwart”, der die gleichnamige Ringvorlesung begleitet.

Für Paläogenetiker gibt es deutliche Hinweise darauf, dass es im 3. Jahrtausend vor Christus eine Migration von Ost nach West gegeben haben muss. Sie nahmen Proben aus Gräbern der Kultur der Schnurkeramik in Mitteleuropa und von nordöstlich des Schwarzen Meeres, aus der sogenannten Jamnaja-Kultur, und untersuchten sie auf ihre genetischen Zusammensetzung. Bei den Mitteleuropäern stellten sie Erstaunliches fest: „Ab 2.800 vor Christus kommt ein genetisches Muster hinzu, das mit der Steppenkultur in Verbindung gebracht wird“, erläuterte Kaiser. Paläogenetiker gehen deshalb davon aus, dass Menschen zu dieser Zeit aus dem Gebiet nordöstlich des Schwarzen Meeres nach Westen ausgewandert sein müssen.

Für Elke Kaiser werfen diese neuen Erkenntnisse vor allem viele Fragen auf. Denn aus archäologischer Sicht lasse sich eine solche Migration nicht belegen, sagte die Professorin. Hätte es eine massenhafte Wanderung aus der Steppe nach Mitteleuropa gegeben, müsste sich das auch in den Funden aus dieser Zeit nachweisen lassen, so Kaiser. Beispielsweise in der Grabkultur: Die für die Jamnaja-Kultur typischen Hügelgräber müssten ab dieser Zeit auch in Mitteleuropa aufzufinden sein. Das treffe aber so nicht zu. Elke Kaiser sagt: “Wir haben zwischen den archäologischen und paläogenetischen Ergebnissen eine große Diskrepanz. Darüber müssen wir uns Gedanken machen.” Wie mit dieser Diskrepanz umzugehen ist, wird in der Forschung derzeit kontrovers diskutiert. Die Frage wird auch in der Vortragsreihe noch häufiger eine Rolle spielen – etwa am kommenden Mittwoch, wenn Wolfram Schier, ebenfalls Professor für Archäologie an der FU Berlin, über Wanderungen in Europa zwischen 6500 und 3500 vor Christus spricht. Oder am 1. Juni: Dann hält Johannes Krause vom Max-Planck-Institut für Menschheitsgeschichte einen Vortrag über die genetische Herkunft der Europäer.

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